2. Lehrerfortbildung auf den Betrieben Grafe und Kehlbeck

Von S-Eiern und Melkmaschinen
Zweite Lehrerfortbildung von LEB; Landvolk Mittelweser und Landfrauen auf Betrieben in Süstedt und Oerdinghausen

 

 

 

Süstedt/Oerdinghausen (ine). „Wir wollen den Menschen nahe bringen, wie Landwirtschaft heute ist“, nennt Lars Nordbruch, Vorsitzender des Landvolk Mittelweser, einen wichtigen Anspruch des Verbands. Dieser Anspruch galt jetzt für eine besondere Multiplikatoren-Gruppe: Lehrerinnen und Lehrer, die Ländliche Erwachsenenbildung, Landvolk Mittelweser und der Kreislandfrauenverband Hoya nach dem erfolgreichen Auftakt im vergangenen Jahr gemeinsam zur zweiten Lehrerfortbildung eingeladen hatten. Auch Kreislandwirt Wilken Hartje war dabei, um harte Fakten zur Landwirtschaft im Landkreis Diepholz zu vermitteln. Ein paar Wiederholungstäter aus 2015 waren dabei, als die Gruppe sich diesmal aufmachte, um sich zunächst den Legehennenbetrieb von Linda und Werner Grafe in Süstedt anzuschauen – einen Betrieb, der seine Eier selbst vermarktet. Dazu griff Betriebsinhaber Werner Grafe zunächst in die Historienkiste. Schon sein Vater habe sich in den 1960er Jahren auf Legehennen spezialisiert, als die Familien noch das Gros ihres Einkommens für Lebensmittel ausgaben. Damals kam die Käfighaltung auf: „Wir haben die Käfige als letzte bekommen und als erste wieder damit aufgehört“, erinnert sich Werner Grafe. „Ich spürte damals schon in der Kundschaft, dass das nicht mehr gewünscht ist.“ Heute leben in Grafes Ställen rund 10.000 Legehennen in Bodenhaltung, die Scharräume an der frischen Luft haben. „Mit den Hühnern stehe ich irgendwo in der Mitte zwischen bio und konventionell“, sagt Werner Grafe. Sein Betriebszweig sieht sich einem großen Wandel unterworfen: „Ich habe die kleinste Packung“, erklärt er – und hält eine Pappe für vier Eier in die Luft. Durch den direkten Kontakt zu seiner Kundschaft an der Haustür oder auf dem Wochenmarkt in Bremen weiß er, was gefragt ist. Die Mengen werden kleiner, die Sammelbestellungen weniger – das gesamte Geschäft ändere sich, hat Grafe beobachtet. „Ich bin der letzte Eiermann“, unkt er, der immer noch gerne zu seinen Kunden unterwegs ist. Das Management in den Ställen und das Verpacken der Eier übernehmen derweil seine Gattin Linda Grafe und deren Schwester Almut Schweers. Die acht Gruppen in Grafes Ställen bestehen aus unterschiedlichen Altersgruppen. „Wir arbeiten hier viel mit Licht von draußen“, erzählt Linda Grafe beim Gang durch den Stall. „Wir stehen als Selbstvermarkter immer dem Kunden gegenüber“, sagt sie. Oft kämen Kunden zum Eierkaufen und wollten dann wissen, woher diese stammen. Einblicke in den Stall gewähren die Frauen dann – sie haben ein offenes Ohr für die Öffentlichkeit, gehen transparent mit ihrer Arbeit um, die sie gewissenhaft erledigen. Auch die Fragen der Lehrerinnen und Lehrer beantworten sie offen – und nehmen dabei auch kein Blatt vor den Mund. Zum Beispiel, was die Vielzahl der Kontrollen angeht, die unangemeldet stattfinden und dann von ihnen bezahlt werden müssen. Oder was die Einzahlung des Eier-Kleingelds betrifft, dass Grafes zur Bank bringen: „Dafür will man von uns eine Gebühr haben.“ Dennoch machen sie ihren Job mit Spaß. „Da ist viel Idealismus dabei“, sagt Werner Grafe. Die Lehrerinnen und Lehrer erfahren außerdem viele Details über die Haltung der Legehennen: Während die Junghennen S-Eier legen und der überwiegende Teil der älteren Hennen die Größen M und L liefern, setzen die älteren Hennen XL-Eier in die Nester. Über automatische Transportbänder gelangen die Eier in den Sortierraum, in dem dann beim Verpacken an jedes Ei Hand angelegt wird. „Wir arbeiten hier so, dass wir auch dahinter stehen können“, macht Linda Grafe ihre Maxime deutlich.
Von den Legehennen zum Milchvieh: Ihren zweiten Stopp legen die Lehrerinnen und Lehrer auf dem Milchviehbetrieb von Bettina und Achim Kehlbeck in Oerdinghausen ein. Zusammen mit zwei Festangestellten und fünf Teilzeitkräften melken die beiden ihre 260 Milchkühe, seit März dieses Jahres sogar drei Mal täglich, alle acht Stunden. Genau das können die Lehrerinnen und Lehrer dann im Melkstand hautnah zur Mittagszeit erleben. Beim Ausbau ihres Betriebes hat sich die Familie bewusst gegen Melkroboter entschieden. „Wir wollen das Tier angucken, anfassen und mit ihm arbeiten“, sagt Bettina Kehlbeck. Das gehe nur, wenn es mehrmals täglich im Melkstand direkt vor einem stehe. Ihr Tun anderen zeigen, ist auch den Kehlbecks wichtig, die sich bewusst für eine Zusammenarbeit mit Festangestellten entschieden haben. „Das klappt recht gut. Und so können wir auch mal für eine Woche in den Urlaub“, sagt Achim Kehlbeck. Daneben bewirtschaftet die Familie 130 Hektar Ackerland und 20 Hektar Futterfläche, baut Gerste, Weizen, Silomais, Zuckerrüben, Kartoffeln und Kleegras an. Bei einem ausführlichen Gang durch die Ställe erleben die Lehrerinnen und Lehrer, wie sich der Stallkomfort in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat. Denn Kehlbecks nutzen auch noch alte Stallungen, modernisieren diese weiter, haben aber auch einen neuen Stall gebaut – eine enorme Entwicklung. Die Pädagoginnen und Pädagogen können ihre Fragen direkt loswerden, bekommen ohne Umschweife Antworten, erfahren, wie sie den Lernort Bauernhof nutzen können: Das kommt an. „Von so einer Fortbildung kann man nur profitieren“, sagt Grundschullehrerin Lisa Maaß. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen beschließt sie den Fortbildungstag mit dem, für das die Milchkühe der Familie Kehlbeck den Grundstoff liefern: mit Produkten der Molkerei Grafschaft Hoya eG aus Asendorf. Bei Milch, Buttermilch, Fruchtjoghurt und Sahneschichtbroten geht die Lehrerfortbildung zu Ende – ob des Erfolges und des Lobes ist eine Neuauflage wahrscheinlich.

 

Text und Bilder mit freundlicher Genehmigung des Landvolkverbandes Mittelweser.